Teil 5 - Akureyri, Island
Teil 5 - Akureyri, Island
Unsere Begeisterung am nächsten Morgen war fast noch größer als am Vorabend bei unserer ersten Island-Sichtung. Ein Blick in den Navigation-Channel unseres Fernsehers machte unmissverständlich klar: jetzt sind wir in Island!
Ein verschlafener Blick aus dem Fenster ließ zudem unsere Freude fast ins Unermessliche steigen. Wir hatten es nicht zu hoffen gewagt und durften es doch erleben – Island bei wunderschönstem Wetter! Wir durchfuhren gerade den Fjord Eyjafjörður, an dessen Ende Akureyri liegt und schon alleine der Anblick von unseren Fenstern aus war toll.
Mich hielt nichts mehr in der Kabine. Ich schnappte meine Kamera und ging schon mal an Deck, um die schneebedeckten Berge und die Landschaft zu bestaunen. Es war zwar kühl, in den Solar-Panels des Oberdecks spiegelte sich jedoch ein stahlblauer, wolkenfreier Himmel wider. Bei dem Bewundern der Szenerie musste ich immer wieder fassungslos mit dem Kopf schütteln. Wir hatten wieder einmal riesiges Glück.
Selbstverständlich nutzten wir das schöne Wetter dazu, unser Frühstück auf der Terrasse des Ocean View Cafés zu genießen. Die Heckwelle im Blick, frische Seeluft, eine atemberaubende Kulisse um uns herum – unsere Kreuzfahrerherzen schlugen im Freudentakt.
Kurz bevor wir Akureyri erreichten, meinte ich wieder eine kleine Fontaine in der Ferne gesehen zu haben und schaute deshalb aufmerksam auf das Wasser. Und tatsächlich, in der Ferne tauchten ab und an der Rücken und die Flosse eines einzelnen Wals auf.
Wenig später kam der Hafen von Akureyri in Sicht, wo wir pünktlich fest machten. Ein plüschiges Begrüßungskomitee erwartete uns bereits am kleinen Hafengebäude und Souvenirladen.
Für unsere Tagestour hatten wir bei Holdur/Europcar einen Mietwagen gebucht. In der Annahme, dass der Weg zur Station und die Abwicklung etwas Zeit in Anspruch nehmen würden, ging ich schon einmal alleine von Bord. Bereits durch den Souvenirladen hindurch sah ich jedoch das grüne Schild von Europcar an einem Büro-Container wenige Meter weiter. In dem Container selbst wurde ich schon erwartet und mit den entsprechenden Unterlagen freundlich begrüßt. Führerschein- und Kreditkartendaten waren schnell erfasst und keine 10 Minuten später saß ich in einem sehr komfortablen Chrysler Town & Country, der je einen Logensitz für alle 6 Passagiere bot.
Ich rief Birgit auf dem Handy an und gab damit dem Rest der Mannschaft grünes Licht nachzukommen. Bis zum Eintreffen meiner Mitfahrer konnte ich noch ein paar Fotos machen und die ungewöhnlichen Gefährte der lokalen Touranbieter bestaunen, die mit ihren überdimensionalen Reifen und hochgesetzten Karosserien an Monster-Trucks erinnerten und selbst unseren großen Wagen im Vergleich fast klein wirken ließen. Natürlich schienen auch diese Fahrzeuge, genau wie die umliegenden Gebäude des kleinen Städtchens, klein gegen die Eclipse. In der Sonne glänzend überragte sie majestätisch alles um sie herum.
Nachdem auch der Rest der Gruppe nachgekommen und das Navi in meinem iPhone auf unser erstes Ziel programmiert war, starteten wir gut gelaunt unsere Tour. Weit kamen wir jedoch nicht, denn bereits kurz nach dem Ortsausgang und dann wieder nicht viel weiter auf einer kleinen Anhöhe boten sich so schöne Panoramen, dass wir jeweils kurz zum Fotografieren anhalten mussten.
Die Straßen waren gut geteert und wir kamen darauf gut voran. Wenn da nicht ständig wieder etwas zu sehen gewesen wäre, was uns zum langsam Fahren und Schauen verleitet hätte – ein idyllisches Tal zwischen schwarzen Hügeln und Bergen aus Lavagestein, die wiederum mit in der Sonne glitzerndem Schnee bedeckt waren, ein tiefblauer Fluss, der sich malerisch durch das noch braune Gras der Auen schlängelte…
… oder auch der kleine See Ljósavatn, dessen glasklares Wasser durch kein Lüftchen bewegt wurde und auf dessen spiegelglatter Oberfläche die umliegenden Berge wie eine Fata Morgana reflektiert wurden. Die Übergänge zwischen Berg, Wasser und Spiegelung waren dabei so perfekt und nahtlos, dass man fast an eine Täuschung glauben konnte.
Eine unheimlich friedliche Ruhe umgab diesen wunderschönen See. Allein das Bellen eines kleinen Hundes, der treu einen einzelnen Angler vor uns aufdringlichen Touristen schützen wollte, durchbrach die Stille und hallte über das Wasser.
Wenige Minuten später kamen wir zu unserem ersten Etappenziel – dem Godafoss-Wasserfall.
Godafoss heißt soviel wie „Wasserfall der Götter“. Der bedeutungsvolle Name des 12 m hohen Wasserfalls geht auf eine alte Sage zurück. Im Jahre 1000 wurde in der traditionellen gesetzgebenden Versammlung Alþing beschlossen, das Christentum als Staatsreligion zu übernehmen und den alten Göttern abzuschwören. Der Sage nach soll der Gode Þorgeir, Häuptling des Gebiets um den Wasserfall, die letzten heidnischen Götterbilder in den Godafoss geworfen haben.
Anders als an dem stillen See, zeigte hier das Wasser eine ganz andere, urgewaltige Seite und rauschte beeindruckend in die Tiefe. Die Luft war erfüllt von feinem Sprühnebel und ein gewaltiges Tosen und Donnern war allgegenwärtig.
Nach einer Weile setzten wir unsere Fahrt fort und fuhren am Mückensee Myvatn vorbei. Der nur 3-5 m tiefe See erwärmt sich während des Sommers relativ schnell. Noch war er allerdings zu großen Teilen zugefroren. Seinen Namen trägt der See wegen der Mückenschwärme, die während der Sommermonate oft in riesigen, nebelähnlichen Wolken über dem Wasser schweben. Zusammen mit ihren im Wasser lebenden Larven bilden die Insekten die Nahrungsgrundlage für viele Fische und Vögel. Der Mückensee ist das größte Brutgebiet für Enten und viele andere Vogelarten auf Island.
Am östlichen Ufer des Myvatn erreichten wir Dimmuborgir, die Dunklen Burgen. Sie entstanden vor etwa 2000 Jahren, als bei einem Vulkanausbruch Lava über ein Sumpfgebiet floss.
An der Front der Lava bildete abgekühltes Gestein einen Damm, hinter dem sich ein See heißer Lava aufstaute. An dessen Oberfläche bildete sich eine feste Kruste, während das unter der Lava eingeschlossene Wasser des Sumpfgebietes verdampfte. Durch den Dampf, der sich seinen Weg nach oben suchte, bildeten sich Kamine und Mauern aus erstarrter Lava, die von noch flüssigem Gestein umgeben waren. Schließlich brach der Lavadamm, und das noch flüssige Gestein konnte abfließen. Die bereits erkalteten Kamine und Wände blieben in Form von Türmen, Höhlen, Torbögen, Brücken, Straßen und Skulpturen zurück, was die Landschaft an die Ruinen einer alten Stadt oder Burg erinnern lässt. Man glaubt auch, hier und da Gesichter und Figuren zu erkennen, die sich auf geheimnisvolle Art, je nach Blickwinkel, zeigen und ein paar Schritte weiter wieder verschwinden.
Verschiedene Pfade führten durch die bizarre Landschaft aus dunklem Gestein, in der wir bei genauem Hinsehen auch kleine bunte Kunstwerke der Natur entdecken konnten.
Die wohl berühmteste Formation „Das Loch“ ist schon von weitem sichtbar. Einer der Pfade führte hinauf und sogar hindurch.
Die Anhöhe bot einen schönen Blick auf die schwarzen Wände des 160 m hohen Hverfjall-Kraters – sozusagen dem Schöpfer von Dimmuborgir.
Nach unserem Rundgang durch das Areal machten wir uns wieder auf den Weg und fuhren zur nächsten Attraktion des Tages. Spätestens durch die vielen Säulen weißen Dampfs, die an mehreren Stellen aus Erdspalten und Felsen emporstiegen, war klar, dass wir uns einem Gebiet mit hoher geothermischer Aktivität näherten. An den meisten Stellen konnten man auch an den darum herum liegenden Gebäuden erkennen, dass die dabei entstehende Energie genutzt wurde.
Über den Pass Namaskard, der in den Berg Namafjall einschnitt, erreichten wir unser nächstes Ziel: die Solfatarenfelder von Namaskard. Als wir über den Pass kamen, konnten wir sie schon leicht an den Dampfsäulen, geparkten Autos und Bussen ausmachen. Das Feld konnte man vom Parkplatz aus über Plattformen und abgesteckte Wege gut begehen.
Die schon von der Straße aus sichtbaren Dampfschwaden entsprangen einigen Schloten, aus denen kontinuierlich vulkanisch erhitzter Wasserdampf schweflig stinkend unter lautem Zischen entwich, wie aus einer geborstenen Fernwärmeleitung.
Das Geräusch und auch der starke Geruch nach faulen Eiern, überlagerte das ganze Feld.
Manche Schlammtümpel köchelten hier seicht vor sich hin, während andere ungestüm überkochten und ihre schlammige Brühe in die Umgebung verspritzen. In einigen siedete dunkel erscheinendes Wasser, in anderen wallten durch Hitze geschmolzene Mineralien breiig mit sattem Schmatzen und wirkten wie schmutzige graue Knetmasse.
Schwefel und andere Mineralien aus dem Erdreich verwandelten die Landschaft in eine gelb, rot und weiß gefärbte Hexenküche, in der es brodelte, gurgelte, dampfte und zischte. Trotz des dominanten, unangenehmen Geruchs war dies ein faszinierendes Schauspiel.
Der Tag war noch nicht zu Ende: Dank des herrlichen Wetters hatten wir uns noch den Dettifoss-Wasserfall auf den Plan gesetzt, worauf wir bei Regen und grauem Himmel aufgrund der Entfernung wahrscheinlich verzichtet hätten. Um ihn zeitig zu erreichen, stiegen wir wieder in unseren komfortablen Wagen und folgten der Straße weiter. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto eisiger wurde die Landschaft. Sie verwandelte sich von dem wüstenähnlichen braun, wie wir es bei Namafjall gesehen hatten, in eine strahlend weiße Winterlandschaft. Entlang des Weges erstreckten sich bald schier endlos scheinende Schneefelder und es kam uns vor, als ob wir in einem ganz anderen Land wären, als noch ein paar Minuten zuvor.
Nach etwa 40 Minuten Fahrt stellten wir unseren Wagen am Parkplatz des Wasserfalls ab und folgten zu Fuß den Schildern zum Wasserfall. Über einen Pfad aus festgetretenem Schnee stapften wir durch die winterliche Landschaft. Der Weg war trügerisch. Als ich einmal neben den plattgetrampelten Schnee trat, versank ich bis über die Knie im Schnee.
Für Hildegard war der Weg beschwerlich, aber sie hielt tapfer durch. Helmut hatte sie bei der Hand genommen und ich trug ihren Rollator. Nach etwa 10 Minuten erreichten wir auf einer kleinen Anhöhe ein Schild, auf dem noch einmal eine Entfernung von 800 m angezeigt wurde. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Weg so weit war. Hildegard beschloss daher, sich hier auf ihren Rollator zu setzen und auf uns zu warten. Von ihrem Logensitz aus konnte sie uns zusehen, wie wir uns weiter durch den Schnee zum Wasserfall kämpften, dessen Gischt in der Ferne schon sichtbar war.
Endlich angekommen stockte uns fast der Atem. Der Anblick war überwältigend. Auf einer Breite von ca. 100 m stürzten sich die Wassermassen mit ungebändigter Urgewalt etwa 45 m in die Tiefe. In der Luft lag neben feinstem Sprühnebel auch ein tiefes Donnern und Grollen, fast wie ein pausenloses Gewitter. Das Wasser entspringt dem Nordrand des Vatnajökull-Gletschers und läuft über einen Fluss ab. Im Sommer stürzen hier etwa 1500 m³ pro Sekunde geräuschvoll in die Tiefe.
Der Fluss reißt in seinem Verlauf pro Tag mehr als 120.000 t Geröll mit sich, die er als große Gesteinsbrocken, aber auch als feinste Schwebfracht mit sich führt. Die feinen Partikel werden mit der Gischt aufgewirbelt und setzen sich im Winter in der Schnee- und Eisschicht am Rand des Wasserfalls wieder ab. Kein Künstler könnte ein schöneres Kunstwerk erschaffen, als es hier die Natur getan hat. Die Eisschicht vor uns wirkte wie marmoriert und von kreisförmigen Mustern durchzogen.
Ein Stück flussabwärts hinter dem Wasserfall, wo sich der Fluss schon ein wenig beruhigt hatte, hing noch immer feiner Sprühnebel in der Luft und bildete einen malerischen Regenbogen in der Schlucht.
Ein weiterer Pfad führte seitlich an die Abrisskante des Dettifoss und somit noch näher an dessen tosendes Brausen.
Den Rückweg zum Parkplatz traten wir ganz beseelt an. Dieser Wasserfall alleine war schon beeindruckend. Ihn jedoch in dieser schneebedeckten Umgebung direkt im Anschluss an die brodelnde, heiße Hexenküche vom Namafjall zu sehen, war einfach nur grandios und umwerfend.
Während der ca. 2-stündigen Rückfahrt genossen wir noch einmal die Vielfalt der Landschaft, die sich vor uns ausbreitete. Die Eiswüste hier im Dettifoss-Gebiet, die rauchenden Schlote um Namafjall herum, das Seengebiet um Myvatn, Auenlandschaften mit Schafen vor steilen Berghängen je näher wir dem Fjord kamen und schließlich wieder den Blick auf Akureyri und unser Schiff, wo die Straße wieder auf Meereshöhe hinab führte.
In Akureyri angekommen machten wir nach dem Tanken noch einen kleinen Abstecher zur markanten Kirche, die von einem Hügel aus den Ort überblickt. Leider war sie geschlossen, als wir ankamen, so dass wir das Innere leider nicht besichtigen konnten.
Die Rückgabe des Mietwagens war ebenso bequem wie die Übernahme am Morgen. Wir fuhren direkt vor das Schiff, wo ich meine Mitreisenden aussteigen ließ und dann parkte ich den Wagen keine 20 m weiter neben dem Container mit der Europcar-Aufschrift. Den Schlüssel musste ich nur durch einen Schlitz in der Tür werfen.
So konnte auch ich wenige Minuten später schon an Bord gehen. An der Gangway, wo wir in wärmeren Gegenden von Celebrity immer mit Fruit Punch und kalten Tüchern in Empfang genommen werden, wurde hier heiße Brühe und heiße Trinkschokolade gereicht – eine feine Sache.
Nachdem wir uns etwas frisch gemacht hatten, trafen wir uns in der Sunset-Bar, um das Auslaufen zu erleben.
Es wurde im Wind jedoch bald empfindlich kalt und auch die Wolldecken spendeten nicht viel Wärme. Wir flüchteten uns daher auch schnell wieder ins warme Innere und gingen zum Essen ins Blu.
Dort, und anschließend in der Sky Lounge, redeten wir noch viel über diesen wunderschönen Einstiegstag in Island. Island, die Insel aus Feuer und Eis – beides haben wir heute auf eindrucksvolle Weise erleben dürfen.
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