Teil 4 - Montevideo, Uruguay
03. März 2015 – Montevideo, Uruguay
„Ich sehe einen Berg!“ Dies (Monte vido eu!) soll der portugiesische Entdecker Magellan gerufen haben, als er bei seiner Erforschung des Rio de la Plata im Jahre 1520 einen Berg, mit 132 m Höhe wohl eher einen Hügel, sah. An diesem Ausruf erinnernd soll die später an dieser Stelle gegründete Stadt dann Montevideo benannt worden sein.
Von den vielen Geschichten über die Namensfindung von Montevideo wird diese Version heutzutage als die wahrscheinlichste angesehen. Bewiesen ist aber nur, dass am Fuße des Hügels 1724 von den Spaniern ein Militärstützpunkt errichtet wurde, der zur Verteidigung der Bucht dienen sollte. Dieser Stützpunkt hat sich zur heutigen Stadt Montevideo entwickelt, in der etwa 1,4 Mio. der insgesamt ca. 3,3 Mio. Einwohner Uruguays leben.
Der Ausblick vom Außendeck des Ocean View Cafe auf einen Schiffsfriedhof vor dem Hafen Montevideos machte erst einmal keinen einladenden Eindruck. An die Vergänglichkeit von Schiffen wollten wir an Bord unserer schönen Celebrity Infinity erst einmal nicht denken. Vom Genuss eines ordentlichen Frühstücks hielt uns das jedoch nicht ab. Besonders an der Theke im Heckbereich, wo u. a. frisch schmackhafte Eggs Benedict zubereitet wurden, wurde ich viel zu gut und freundlich bedient und sozusagen zum Stammkunden erzogen.
Wir hatten keinerlei Zeitdruck. Ich hatte herausgefunden, dass wochentags um 11 Uhr eine Free Walking Tour am Plaza Independencia startet. Die Tour an sich ist kostenlos, um Tips für die Guides, meist Studenten die sich damit ein Zubrot verdienen, wird jedoch gebeten. Walking-Touren sind generell etwas für uns… aber das habt ihr sicher schon aus unseren Berichten entnommen.
Am Platz vor der Pier stießen wir auf einige herausgeputzte Relikte der Seefahrt. Erst der ausgestellte Entfernungsmesser der „Graf Spee“ rief mir ins Gedächtnis, dass das berühmte Panzerschiff 1939 vor dem Hafen Montevideos von der Besatzung selbst versenkt wurde.
Unser Fußweg zum Platz der Unabhängigkeit führte uns durch ein gerade erwachendes Montevideo. Gemüsehändler stellten ihre Waren vor die Geschäfte, Modeläden öffneten und die Besitzer nutzten die Ruhe vor dem Sturm zu einem Plausch mit dem Nachbarn.
Der Platz der Unabhängigkeit war durch die Straßen der Altstadt hindurch einfach und schnell zu erreichen. In der Mitte des großen Platzes reitet ein stolzer General Artigas auf seinem prächtigen Ross auf dem Dach seines Mausoleums. Artigas, der 1811 siegreich gegen das Vizekönigreich gekämpft hatte, gilt als Landesvater Uruguays und wird als Nationalheld verehrt.
Eingerahmt wird der Platz von einigen Gebäuden unterschiedlichster Architektur und Attraktivität. Neben dem relativ modernen Bau des Sitz des Präsidenten und einem Verwaltungsgebäude, dessen Glasfassade mit unzähligen Klimaaggregaten verschandelt ist, befindet sich auf der Westseite des Platzes ein stehen gelassenes Tor der einstigen Stadtmauer. Die Stadtmauer selbst wurde abgerissen als Montevideo weit über seine ursprünglichen Grenzen hinauswuchs.
Auf der Ostseite des Platzes ragt der imposante Palacio Salvo in die Höhe. Das Art Deko-Gebäude war zwischen seiner Einweihung 1928 und dem Jahr 1935 das höchste Gebäude Südamerikas. Der Architekt hatte es dem ebenfalls von ihm stammenden Palacio Barolo in Buenos Aires nachempfunden. Dieser war jedoch kleiner, was den Bewohnern der Stadt, die sich traditionell in Konkurrenz zu Buenos Aires sah, eine gewisse Genugtuung gab.
Heute ist der Palacio Salvo das Wahrzeichen der Stadt und Erinnerung an eine Zeit, in der das wohlhabende Uruguay sich anschickte, als die Schweiz Südamerikas zu gelten.
Vor dem Mausoleum Artigas entdeckten wir schnell einige junge Damen mit roten T-Shirts auf denen das Logo der Free-Walking-Tour zu sehen war. Die Damen teilten gerade die Interessenten in eine englische und eine spanische Tour auf, als wir zu unserer positiven Überraschung sahen, dass auch Mary und Bob, mit denen wir bereits in Buenos Aires on Tour waren, kamen, um ebenfalls an der Tour teilzunehmen.
Unsere Führerin stellte sich uns mit jugendlichem Scharm und Humor als Maria vor und erklärte uns sogleich die ersten Fakten zu Uruguay, Montevideo und einige Hintergründe zu den Gebäuden um den Platz herum.
Durch das alte Stadttor verließen wir den Platz und betraten mit der Calle Sarandi die Fußgängerzone der Stadt. Maria machte uns auf Montevideos Variante des „Walk of Fame“ aufmerksam. In den Boden eingelassen befanden sich schwarze Granitplatten mit einer lachenden Sonne und den Namen einiger Berühmtheiten.
Auffällig war, dass überall in den Straßen der Stadt zwischen den einfarbigen Bodenplatten kleine bunte Fliesen aus Keramikbruchstücken zu sehen waren. Laut Maria soll ein Unbekannter nachts defekte Bodenplatten gegen die kleinen bunten Kunstwerke austauschen. Man wüsste nicht wer es ist, würde ihn aber gewähren lassen… ob diese Geschichte wohl so stimmte? Egal, es sah zumindest hübsch aus und gehört mittlerweile zum Stadtbild Montevideos.
Maria deutete auf ein schönes historisches Art-Nouveau-Gebäude, das Edificio Pablo Ferrando, welches 1917 als Sitz einer Optikfirma erbaut wurde. In dem immer noch prächtigen Gebäude aus Glas und Metall befindet heute die Buchhandlung „Mas puro verso“ (Mehr reine Poesie). Unsere Führerin erwähnte auch, dass es im ersten Stock auch ein schönes Cafe gäbe, welches bei jungen Leuten sehr beliebt sei.
Gut gelaunt und sehr sympathisch führte uns Maria durch die Straßen zum Teatro Solis. Das ehrwürdige Theater wurde 1856 eröffnet und war das erste große Theater Südamerikas. Auch heute strahlt das aufwendig renovierte Kulturdenkmal noch den Glanz der damaligen Tage aus.
Vorbei am anglikanischen Kirchengebäude Templo Ingles führte unser Spaziergang zum Cabo del Sur, den Überresten eines Festungsbaus direkt an der Uferpromenade. Maria nutzte den Ort, um uns ein wenig über Land und Leute zu erzählen. Selbstverständlich durften dabei einige Erläuterungen zum Mate-Konsum der Bewohner Uruguays nicht fehlen. Der Mate-Tee ist für manche täglicher Begleiter. Wir konnten das schon in den Straßen beobachten.
Das idealerweise aus einem Kürbis geschnitzte Trinkgefäß mit dem Bombilla-Röhren ständig in der Hand und die Thermoskanne zum Aufgießen 24 Stunden am Tag unter dem Arm geklemmt – so karikierte Maria den typischen Uruguayaner. Sie scherzte, es sei medizinisch nachgewiesen, dass ein richtiger Uruguayaner deshalb einen zusätzlichen Muskel im Oberarm hätte. Zudem gäbe es, ähnlich wie bei Rauchern, zwei Arten von Matetrinkern. Die einen, die immer Mate und Thermoskanne dabei hätten und die anderen, die immer von ihnen schnorren würden. Selbstkritisch zählte sie sich zu der zweiten Sorte.
Nächste Station unseres Rundgangs war die Plaza Constitucion, von den Einwohnern auch Plaza Matriz genannt, die das Zentrum des historischen Montevideo bildet. Die offizielle Namensgebung beruht auf dem Schwur auf die erste Verfassung Uruguays, der hier 1830 geleistet wurde.
In der Mitte des Platzes plätscherte ein Brunnen aus weißem Marmor vor sich hin und auf den Kieswegen der Parkanlage wurde ein Kunsthandwerksmarkt abgehalten.
Maria gab uns hier eine halbe Stunde Freizeit, die wir zu einem Besuch der an dem Platz gelegenen Kathedrale nutzten. Der monumentale Bau von 1790 gehört zu den ältesten Kirchen Südamerikas und hat unter kirchlichen Würdenträgern viele Anhänger gefunden. Von einer Mission im Jahre 1825, der auch der spätere Papst Pius IX angehörte, wurde sie als schönste Kirche Südamerikas bezeichnet. Pius IX erklärte die Kirche später zur Basilika und schließlich zur Kathedrale.
Mir persönlich hat ein Seitenaltar mit einem Glaskunstwerk besonders gut gefallen. Das nüchterne, offenbar moderne Bild aus geschliffenem Glas fügte sich harmonisch in den prachtvoll mit Gold verzierten alten Altar ein. Beides bildete, trotz unterschiedlicher Stile, eine gelungene Einheit.
In einer kleinen seitlichen Taufkapelle befindet sich ein marmornes Taufbecken aus dem Jahre 1753. In diesem Taufbecken hatte bereits der spätere Nationalheld Artigas seine christlichen Weihen empfangen.
Nachdem wir Maria am Brunnen vor der Kathedrale wieder getroffen hatten, ging es weiter zur Plaza Zabala. Der Platz ist nach dem Gründer der Stadt Bruno Mauricio de Zabala benannt, der ebenfalls hoch zu Ross auf einem Denkmal über seine Stadt blickt. An seinem Denkmal erklärte uns Maria unterhaltsam die verschiedenen Versionen der Geschichte wie Montevideo einst zu seinem Namen kam.
Weiter durch einige Seitenstraßen an der Nationalbank Uruguays vorbei ging es zur Endstation unserer Tour – dem Mercado del Puerto. Die Markthalle mit ihrer eisernen Trägerstruktur war einst in Liverpool in Auftrag gegeben und gebaut worden, um dann lange Zeit als Handelsplatz zu dienen. Im Hintergrund der Halle und den touristischen Ständen vor ihren Eingängen erhob sich das mächtige Hauptzollgebäude wie ein Bollwerk aus Beton.
Nach einem Gruppenfoto für die Facebook-Seite der Walking-Tours verabschiedeten wir uns von Maria und dankten ihr mit einem großzügigen Tip. Sie hatte ihren Job großartig und mit viel herzlichem Enthusiasmus gemacht und uns in kurzer Zeit viel von der Stadt näher gebracht.
Der Hafenmarkt, in dem früher auch Obst und Gemüse gehandelt wurde, ist heute kulinarisches Herz Montevideos – und die Hölle eines jeden Vegetariers. Im Inneren der schönen Halle befinden sich unzählige Grill- und Steakrestaurants.
Die beste Werbung für ein Steakhaus ist der Grill. Daher waren alle gut sichtbar zu den Gängen hin ausgerichtet. Unmengen von Steaks, Würstchen und südamerikanischen Grillspezialitäten brutzelten vor sich hin und verbreiteten einen für mich unwiderstehlichen Geruch. Der Anblick auf den Grillrosten war für jeden Fleischliebhaber schöner als jedes noch so kunstvolle Gemälde.
Ich brauchte nicht viel Fantasie, um mir vorzustellen, wie diese Köstlichkeiten mit den auf den Tischen stehenden Saucen schmecken würden.
Mary und Bob, die mit in die Halle gekommen waren, und uns war eines schnell klar: wir konnten und wollten Montevideo nicht verlassen, ohne hier gegessen zu haben. In einem der vielen Restaurants fanden wir einen gemütlichen Tisch und die Damen orderten gleich eine Flasche Medio y Medio, der uns zuvor von Maria als lokale Spezialität empfohlen wurde.
Das Essen war hervorragend und erstaunlich günstig. Vor allem wird es aber einer dieser Momente sein, an die wir uns noch lange erinnern werden.
Nach dem Essen wollten wir noch ein wenig durch die Fußgängerzone bummeln, wurden jedoch dann von einem sich rasch verdunkelnden Himmel und einigen Regentropfen überrascht. Wir erinnerten uns an das Cafe im Buchladen, von dem Maria uns erzählt hatte. Glücklicherweise hatten wir das schützende Gebäude erreicht, bevor sich der Regen zu einem starken Gewitter entwickelte. Als wir es betraten, hielten wir erst einmal ehrfürchtig inne.
Die gesammelten Werke der Literaten aller Herren Länder und das historische Ambiente des alten Gebäudes schufen ein einladendes und einzigartiges Ambiente.
Am oberen Ende der großen Treppe fanden wir hinter weiteren Bücherregalen das von Maria beschriebene Cafe und machten es uns auf einem Ledersofa bei leckerem Cafe Latte und Free Wifi gemütlich. Den Rest des verbleibenden Nachmittags genossen wir musikalisch untermalt von Beethovens Violinkonzert und blickten durch die großen Scheiben auf das verregnete Montevideo.
Leider tat uns der Regen nicht den Gefallen, bis zu unserer Rückkehr zum Schiff aufzuhören. Begleitet von dicken Tropfen kam uns der Weg viel weiter vor als am Morgen. Als wir die Infinity erreichten, waren wir völlig durchnässt und das Wasser tropfte aus unseren Haaren und unserer Kleidung. Wir freuten uns daher, nicht nur an Bord ins Trockene zu kommen, sondern auch über die nette Geste von Celebrity, jeden Passagier noch vor der Security mit Handtüchern zu empfangen.
Der heftige Regenguss des Nachmittags trübte nicht unsere Erfahrung und Empfindung über Montevideo. Ganz im Gegenteil. Beim Abendessen im Blu unterhielten wir uns noch mit unserer unheimlich netten Barkellnerin Jenny über den wunderschönen Aufenthalt bei passender Musik im Cafe „Mas puro Verso“, den wir wohl ohne den Regen so nicht erlebt hätten. Nomen est Omen – für uns war es pure Poesie.
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