Teil 3 - Buenos Aires, Argentinien
02. März 2015 – Buenos Aires, Argentinien
Frühstück im Ocean View Cafe auf dem Außendeck – wie haben wir das vermisst. Die lang gezogene Anordnung des Buffets auf der Millennium-Klasse bedeutet etwas längere Laufwege, aber auch mehr Ruhe in den Sitzbereichen. Dies war uns bereits auf der Constellation aufgefallen. Die Auswahl war gewohnt groß und schmackhaft. Die Station für frische Eggs Benedict sollte mich wieder sehen… leider viel zu oft.
Nach dem Frühstück hatten wir uns beim Guest Relations Desk mit vier Mitreisenden verabredet, mit denen wir uns in Cruise Critic zusammengetan hatten. Gemeinsam hatten wir einen privaten Führer für eine Walking Tour gebucht. Wir fanden uns schnell, gingen gemeinsam von Bord und suchten am Cruise Terminal unseren Fahrer Chris. Kurz nach der vereinbarten Uhrzeit traf auch er ein und wir gingen an seinen Wagen. Bereits auf der Fahrt in die Stadt konnte Chris, der vor vielen Jahren aus England ausgewandert war, uns interessante Dinge über Buenos Aires erzählen.
Der Treffpunkt mit unserem Guide Oliver, einem Amerikaner, der ebenfalls schon 16 Jahre in Buenos Aires lebt und somit schon zu den Portenos zählt, lag in San Telmo. Dort sahen wir die Plaza Dorrego in einem anderen Licht.
Der Platz war, im Gegensatz zum Vortag, leer und schien sich vom Trubel des Marktes zu erholen, Luft zu holen für die nächsten Händler, Touristen, Musiker und Tangotänzer. In seiner Ruhe und Leere hatte er jedoch nichts von seiner Schönheit eingebüßt.
Oliver, unser Guide, stand mit uns in der Mitte des Platzes und erzählte uns Geschichten der Stadt und stellte uns ihre verschiedenen Gesichter auf unheimlich interessante Art vor. Seine Gestik und Mimik sagte unmissverständlich: „Ich bin ein Porteno und ich liebe diese Stadt“.
Auch er führte uns in die Markthalle, die wir an unserem Ankunftstag schon besucht hatten. Wieder bot sich uns das bunte Bild der Waren, die wie auf gemalt unter dem Licht der Glaskuppel lagen und auf Ihre Käufer warteten. Um diese frühe Zeit an einem Montagmorgen waren auch kaum Touristen in der Markthalle. Sie zeigte sich uns daher, wie die Plaza Dorrego, heute von einer ursprünglicheren, aber nicht weniger attraktiven Seite.
Auf unserem weiteren Weg kamen wir an einigen weiteren Street-Art Objekten vorüber, zu denen Oliver uns interessante Erklärungen lieferte.
Die Objekte unterschieden sich sehr in Form und Farbe, in künstlerischem Aufwand und auch besonders in ihren versteckten Zeichen und Bedeutungen, die wir auf Anhieb so gar nicht wahrnahmen, die uns Oliver jedoch erklärte. Kaum erkennbare Zeichen oder bestimmte Farbkombinationen wurden von den Künstlern ebenso geschickt zur Zweideutigkeit benutzt, wie fast unsichtbare Highlights in einzelnen Buchstaben. Die Bezüge waren hierbei vielfältig – Parallelen zu politischen Hintergründen waren ebenso vertreten wie Anspielungen auf Fußballvereine.
Oliver zeigte uns auch ein Graffiti, das künstlerisch nicht besonders anspruchsvoll war, dessen sinnhaft übersetzte Aussage uns jedoch sehr gut gefiel. Sie traf nicht nur auf viele Situationen im Leben zu, sondern auch gerade auf Kreuzfahrten.
„Was ich biete ist ein Lächeln. Alles was ich mir erhoffe, ist ein Lächeln zurück“
An einer Straßenecke machte uns Oliver auf einige bunt angestrichene Bars und Restaurants aufmerksam, deren Tische sich im Schatten einiger Bäume versteckten und dadurch sehr einladend wirkten. Dies waren Ende des 19. Jahrhunderts die Bordelle der Stadt. Im Land des Tangos war jedoch selbst das älteste Gewerbe der Welt irgendwie verknüpft mit dieser Musik und dem leidenschaftlichen Tanz. Laut Tangoexperten waren es diese Orte, an denen die Männer aus Buenos Aires´ Mittelschicht einen Geschmack für den Tango entwickelt haben. Die damalige Knappheit an Frauen hatte zur Folge, dass die Prostitution boomte. Die Damen des Gewerbes konnten den Ansturm der Freier, die in Scharen ungeduldig vor den Häusern warteten, kaum bewältigen. Damit die Wartenden es sich nicht doch noch anders überlegten, engagierten die Hausdamen Tangomusiker, um sie zu unterhalten. Die Tangohistoriker berichten, dass die Männer die Wartezeit damit verbrachten, den Tanz zu üben – auch indem sie miteinander tanzten. Sie wollten damit jedoch nicht etwa den käuflichen Damen imponieren, sondern ihre Chancen bei den Frauen der Stadt steigern.
Gegenüber begrüßten uns auch die Comic-Freunde des kleinen Mädchens Malfalda, die wir schon zuvor auf ihrer Bank sitzend getroffen hatten. Auf Häuserwänden gemalt und als Statuen in den Straßen verteilt, bilden die bunten Figuren die „Paseo de la Historieta“ Comic-Tour – ein Tribut an die Comiczeichner Argentiniens und ihre im Lande sehr beliebten Charaktere.
Begleitet von den lustigen Figuren erreichten wir den Stadtteil Monserrat und das Convento de Santo Domingo, Schauplatz einiger kriegerischen Auseinandersetzungen mit den königlich britischen Soldaten während des Unabhängigkeitskrieges, aus denen die Argentinier siegreich hervorgegangen waren. Laut unserem Guide Oliver baden sie sich auch heute noch ein wenig im Ruhm dieser Siege.
Ein Mausoleum im Konvent ist die letzte Ruhestätte des General Belgrano, Kämpfer im Unabhängigkeitskrieg und Schöpfer der damaligen Flagge der Unabhängigkeitsbewegung, die heute die argentinische Landesflagge bildet.
Nach General Belgrano, der einst so siegreich gegen die Briten war, war auch ein Kreuzer der argentinischen Marine benannt, der ironischer Weise während des Falkland-, Entschuldigung… Malvinas-Konfliktes von der britischen Marine versenkt wurde. Mit über 300 Toten stellte dieser Verlust einen großen Teil der Kriegsopfer auf der argentinischen Seite dar.
Auch mit Oliver kamen wir erneut an der Kirche San Francisco vorüber und besuchten die gegenüberliegende historische Farmacia, die wir dieses Mal auch von Innen bewundern konnten.
Mit viel ansteckendem Enthusiasmus und Leidenschaft in jedem Wort erklärte uns unser Guide an der Plaza de Mayo die teils traurige Geschichte des Platzes, die Entwicklung der Casa Rosada und die Hintergründe zum Cabildo, dem historischen Sitz des ehemaligen Vizekönigs.
Selbstverständlich durfte auch auf dieser Tour die Catedral Metropolitana nicht fehlen, in der uns Oliver noch einiges zu den religiösen Hintergründen Argentiniens und dem im Mausoleum beigesetzten General San Martin vermittelte.
Das historische Cafe Tortoni, dessen Hallen schon so viel Geschichte miterlebt haben, war Ort für unsere wohl verdiente Mittagspause. Nicht erst hier zeigte sich, dass es sich bei unserer Truppe um eine harmonische und lustige Runde handelte.
Madelin und Bill kamen aus Florida – wir konnten daher einige Geschichten austauschen – und Mary und Bob aus Cleveland, Ohio. Auch im weiteren Verlauf unserer Reise sollten wir immer wieder einmal Zeit miteinander verbringen.
Nach unserer Pause nahmen wir die U-Bahn bis zur Plaza San Martin wo Oliver uns noch einige Erklärungen zu den wunderschönen historischen Gebäuden um den Platz herum gab, die wir an unserem Ankunftstag schon bewundert hatten.
Die letzte Laufetappe unserer Walking-Tour führte uns über die noble Avenida Alvear an verschiedenen Botschaften in schönen alten Gebäuden vorbei in den Stadtteil Recoleta.
Recoleta ist eines der elegantesten und teuersten Wohn- und Geschäftsviertel von Buenos Aires. Die bekannteste Sehenswürdigkeit hier ist jedoch der Friedhof. Er ist Ruhestätte für viele bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten aus der Geschichte der Stadt und des Landes. Politiker, Generäle, Verleger, Industrielle und Mitglieder reicher Familien… an ihnen ziehen die Scharen der Besucher tagtäglich vorüber - letztendlich wohl alle, um ein bestimmtes Grab zu besuchen. Wisst Ihr schon welches?
Auf einem Platz vor dem Friedhof staunten wir erst einmal über „La Gomero“, einen Gummibaum. Mit einem Durchmesser von fast 50 Metern dominiert er über den Platz und spendet Schatten und Zuflucht auf Bänken um seinen mächtigen Hauptstamm herum.
Um mit seinen weit verzweigen Ästen ein Dach über dem Platz zu bilden wurden diese mittels Trägern in der Luft gehalten. Z.T. übernahmen diese Arbeit auch schöne Kunstwerke.
Durch das Haupttor des Friedhofs betraten wir das Reich der Toten und somit ein Labyrinth aus Mausoleen unterschiedlichster Architektur. Alle hatten jedoch eines gemeinsam: sie sollten lange vom irdischen Reichtum und Ruhm der Verstorbenen und ihrer Familien künden.
Auch hier war unser Guide in seinem Element. Unterhaltsam und engagiert zeigte er uns bestimmte Gräber und wusste zu jedem eine wahre Geschichte oder eine schaurige Legende zu berichten.
Farblich heraus sticht das in grünem Marmor gehaltene Mausoleum des Almiante Guillermo Brown, dem Vater der argentinischen Marine. Der grüne Marmor soll dabei an seine irischen Wurzeln erinnern.
Als besonders kunstvoll empfand ich das Grab des Jose Clemente Paz, dem Gründer der Zeitung „La Prensa“, der einst am weitesten verbreiteten Zeitung. Das Gründungsgebäude war einer der schönen Bauten um die Plaza San Martin herum.
Rufina Cambaceres war ein junges Mädchen, das 1902 zur aristokratischen High Society von Buenos Aires gehörte. Als sie sich fertig machte um mit ihrer Mutter ein Theaterstück anzusehen, brach sie zusammen und wurde von herbeigeeilten Ärzten für Tot erklärt. Alleine für die Gründe ihres Zusammenbruchs gibt es allerlei Geschichten wie z. B. dass sie erfahren hätte, ihr Freund würde sie mit seiner eigenen Mutter betrügen.
Wie es bei reichen Familien üblich war, wurde Rufina schnell in einer kunstvoll gestalteten Gruft beigesetzt. Einige Tage später fand der Friedhofswärter den Deckel des Grabes beschädigt und verschoben vor. Da man einen Diebstahl befürchtete, wurde das Grab geöffnet und fand etwas noch schrecklicheres vor. Die tote Rufina mit zerschundenen Händen. Irrtümlich von den Ärzten für Tot erklärt, war sie im Sarg erwacht.
Die Grabstätte von Liliana Crociati de Szaszak ist durch eine große Bronzestatue zu erkennen. Die Junge Frau ist ums Leben gekommen, als 1970 ihr Hotel in Innsbruck von einer Lawine getroffen wurde. Als Ihr Hund Sabu später auch verstarb, wurde der Statue ein Hundeabbild hinzugefügt. Die Tatsache, dass der Leichnam ihres mit ihr verstorbenen Mannes nie gefunden wurde, ist natürlich ebenfalls Anlass für verschwörerische Theorien.
Last but not least besuchten wir zum Abschluss das Grab, welches wohl Anlaufpunkt für jeden Besucher des Friedhofs sein dürfte. Ihr habt es sicher schon erraten.
Eva „Evita“ Peron ist hier, nachdem ihr Leichnam lange Zeit von politischen Gegnern in Italien versteckt gehalten wurde, in der Gruft der Familie Duarte beigesetzt.
Mit dem Abschied von der wahrscheinlich weltweit bekanntesten Persönlichkeit Argentiniens endete auch unsere Walking-Tour durch Buenos Aires. Unser fabelhafter Guide Oliver übergab uns wieder an Chris, der vor dem Friedhof schon auf uns wartete, um uns ans Schiff zu fahren.
Dieser Tag war, wie der gesamte Aufenthalt in Buenos Aires, sehr gelungen. Es war auch schön, dass wir die Stadt erst vorher selbst erkundet und erste Eindrücke schon verdaut hatten. So konnten wir heute die vielen, unheimlich gut herübergebrachten Erklärungen unseres Guides Oliver in Ruhe aufnehmen.
Der Abschied von Buenos Aires beim Auslaufen geschah mit einem sehr zufriedenen Gefühl. Buenos Aires hatte uns schon mal sehr gut gefallen. Nach dem Motto: „auf zu neuen Ufern“ waren wir gespannt auf die weiteren Ziele.
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