Teil 5 - Shimizu (Mt. Fuji), Japan
Teil 5 - Shimizu (Mt. Fuji)
Das nächste Abenteuer ließ nicht lange auf sich warten. Gegen 8.00 Uhr des nächsten Tages erreichten wir Shimizu, die Stadt am Fuße des Vulkans Fuji, den wir bereits von unserem Balkon aus sehen konnten.
Nicht viel später legten wir im Hafen von Shimizu an, wo uns ein großes Schild willkommen hieß.
Auch hier hatten wir über Triplelights.com einen Ausflug gebucht. Dieses Mal begleiteten uns Beverly und Wayne, mit denen wir uns ebenfalls über CruiseCritic zusammen getan hatten. Wir waren nur zu viert, also wirklich eine ganz kleine Gruppe.
Am Hafenausgang erwartete uns Koji, unser Reiseführer, mit einem Schild in der Hand. Beverly und Wayne hatten wir in den Tagen zuvor noch nicht getroffen, aber auch die beiden fanden uns am Hafen schnell.
Mit einem gemieteten Minivan fuhr uns Koji zuerst nach Nihondaira. Das Plateau über der Stadt Shimizu / Shizuoka ist für zwei Dinge bekannt. Zum einen natürlich für den schönen Blick auf den Mt. Fuji und die Halbinsel Izu, zum anderen für den hier angebauten Tee, der zu den besten Sorten Japans zählen soll.
Koji führte uns zunächst in ein Teegeschäft auf dem Plateau (Nihondaira Ocha Kaikan). Selbstverständlich waren wir ein wenig misstrauisch: Ist das nun wieder eine dieser Verkaufsveranstaltungen? Werden wir jetzt gleich gedrängt, etwas zu kaufen?
Die Sorge erwies sich als völlig unbegründet. Koji wechselte ein paar wenige Worte mit den Besitzern, die uns auf typisch japanische Art zurückhaltend, aber sehr freundlich begrüßten und bat uns, durch eine große Tür in einen Garten zu gehen.
Der Garten lag direkt am Rande einer Teeplantage, deren Sträucher in verschiedenen satten Grüntönen vor uns lagen. Hinter dem Meer aus saftigen Blättern ragte er empor, der schüchterne Riese Fuji.
Japans höchster Berg ist UNESCO-Welterbe, Wahrzeichen Japans, Heiliger Berg und eigentlich sogar ein Gott. In der japanischen Kunst wurde der Fuji unzählige Male abgebildet. Kein Wunder, dass jeder Japanreisende ihn wenigstens einmal sehen möchte – vielleicht auch gerade deshalb, weil er sich meist in Dunst und Nebel versteckt. Hier standen wir nun und blickten zu ihm hinüber.
Es ist schwer, in Worte zu fassen, was mir bei dem Anblick des 3.776 m hohen (12,389 ft) Bergs durch den Kopf ging. Ich glaube, viele von Euch kennen dieses Gefühl. Man besucht einen Ort, den man schon so oft auf Postkarten, in Berichten, in Filmen usw. gesehen hat. Obwohl man noch nie vorher dort war, erscheint er seltsam vertraut. Mich selbst ergreift in solchen Fällen immer ein fast überwältigendes Gefühl der Freude gemischt mit tiefer Dankbarkeit darüber, dies alles erleben und sehen zu können. Ich glaube, es ist dieses Gefühl, das unsere Reiselust beflügelt.
Auch jetzt zeigte sich der Fuji etwas schüchtern, wie Koji es fast entschuldigend ausdrückte. Er fügte jedoch hinzu, dass Fuji-san nur mit verhüllter Spitze schon ein ungewöhnlich freizügiger Anblick war.
Ohne von den Ladenbesitzern auch nur im geringsten bedrängt zu werden, gingen wir mit einem „Arigatou gozaimasu“ auf den Lippen wieder hinaus zum Auto und Koji fuhr uns ein Stück weiter zur Station der Nihondaira Seilbahn.
Er löste für uns die Tickets und wir bestiegen die Gondel, die uns in ca. 5 Minuten zum etwa einen Kilometer entfernten Kunozan-Toshogu-Schrein und damit zur Grabstätte des Shogun Tokugawa Ieyasu brachte.
Tokugawa Ieyasu, der Gründer des letzten mächtigen Shogunats, von dem wir bereits in Tokio gehört hatten, hatte ein für damalige Zeiten beachtliches Alter von 75 Jahren erreicht, als er am 17. April 1616 verstarb. Auf seinem Sterbebett äußerte er seinen letzten Willen und gleichzeitig Befehl an seine Anhänger, dass er am Hang des Berges Kuno beigesetzt werden wollte.
Der zweite Schogun, Fürst Hidetada, beauftragte einen Architekten mit dem Bau eines Schreins, in dem der verblichene Fürst Ieyasu verehrt werden konnte. Der Bau begann im Mai 1616 und wurde 190 Monate später abgeschlossen.
Uns erwarteten noch heute prachtvolle Gebäude in einem dichten Wald aus Bambus.
Unterhalb des ersten Tores der Anlage erklärte uns Koji ein wenig zur Geschichte Ieyasus und des Komplexes. Dabei hatte er nicht nur entsprechendes Bildmaterial parat, sondern auch einen kleinen Lautsprecher an sein Hemd gesteckt, so dass wir ihn alle sehr gut hören konnten.
Nach den ersten Erläuterungen erklommen wir die steilen Stufen und bewunderten die kunstvollen Details des Tors, die in intensiver Farbe strahlten. Die ganze Anlage war zum 400jährigen Bestehen frisch renoviert worden, was uns nun sehr zugute kam.
Durch das Tor hindurch erreichten wir eine zweite Ebene, auf der sich vor einer weiteren Treppe zu einem Torii ein Brunnen zur Reinigung befand, wie er vor jedem Tempel und Schrein zu finden war. Koji erklärte uns hier noch einmal das Ritual der Säuberung.
Die bemoosten Steinskulpturen und Mauern der nächsten zwei Ebenen wirkten mystisch und wunderschön zugleich.
Auf der nächsten Ebene erreichten wir die Hauptgebäude des Schreins, Haiden und Honden genannt. Auch hier erklärte uns Koji in gutem Englisch die Details der mit Blattgold verzierten Hallen.
Wie in Tokio, befand sich auch hier eine Wand, an der Besucher auf kleinen Holztafeln ihre Wünsche anbringen konnten.
Überall an den Gebäuden befand sich in verschiedenen Größen das Wappen der Tokugawa – drei Malvenblätter in einem Kreis.
An den extrem gut erhaltenen bzw. renovierten Details konnten wir uns kaum satt sehen. Die Schnitzereien waren delikat und filigran und die Farben kräftig und frisch.
Auch der Ausblick auf die tiefer liegenden Ebenen war nicht zu verachten.
Koji half uns sehr dabei, die Symbolik der kunstvollen Reliefs und Skulpturen sowie die dahinter steckenden Legenden zu verstehen, indem er uns anhand seiner Tafeln sein umfangreiches Wissen vermittelte.
Viele der Figuren, Bilder und Skulpturen symbolisieren den Frieden, den sich Ieyasu während zu Lebzeiten wohl sehnlichst gewünscht hat und der ihm, nachdem er in vielen Kriegen und Schlachten Japan vereint hatte, erst im Tode vergönnt war.
Seitlich an der Halle befand sich ein Abbild Ieyasus und weitere Fabelwesen. Die intensiven Farben und das glänzende Gold auf dem tiefschwarzen Hintergrund waren beeindruckend.
Durch ein steinernes Torii gelangten wir schließlich auf die letzte Ebene mit der tiefer im Wald gelegenen Ruhestätte Tokugawa Ieyasus. Gegenüber der strahlenden Pracht der vorherigen Anlagen wirkte dieser Teil eher schlicht – aber dadurch auch irgendwie ruhig und friedvoll.
Zunächst fand Ieyasu in einer großen Urne seine ewige Ruhe. Sein Enkel, Iemitsu, brachte seine Überreste jedoch später in den Nikko Toshogu-Tempel. Es wird gesagt, dass nur seine Seele noch hier am Berg Kuno residiert, dem Ort, den er sich selbst ausgesucht hatte.
Während unseres Besuchs hatte die Sonne ihren Weg durch die Wolken gefunden. Hier im oberen Bereich des Areals schien sie nun durch das dichte grüne Dach aus Blättern hindurch und tauchte die Steinlaternen in ein interessantes Licht. Etwas tiefer reflektierten die Strahlen auf den schwarz lackierten Dächern.
Alles, was wir bereits auf unserem Weg nach oben bestaunt hatten, strahlte nun noch viel mehr und erschien sprichwörtlich in einem anderen Licht.
Falls dies überhaupt möglich war, wirkten die in der Sonne glänzenden Hallen vor dem Grün des Waldes noch eindrucksvoller als zuvor.
Auch wenn sich die Bilder wiederholen, möchte ich Euch die Fotos der nun in der Sonne leuchtenden Tempelabschnitte nicht vorenthalten.
Koji ließ uns am Ausgang die Wahl, ob wir den Museumsteil des Schreins, oder einen Aussichtspunkt zur anderen Seite des Berges besuchen wollten. Wir entschieden uns für den Aussichtspunkt und gingen dorthin über die einige hundert Jahre alten Stufen hinunter.
Hinter einem hölzernen Eingang erklärte uns Koji, dass dies der einstige Haupteingang des Schreins war. Man konnte ihn nur über etwa 1000 Stufen aus dem an der Küste gelegenen Ort erreichen. Auch heute noch würden die Angestellten des Tempels diesen Weg nehmen, wenn sie vor der Öffnung der Seilbahn am Schrein sein mussten. Wir waren recht froh, gleich die Seilbahn genommen zu haben.
Zurück fuhren wir zum Glück ebenfalls mit der Seilbahn. Anschließend gingen wir auf der anderen Seite des Parkplatzes über einen Pfad zu einem weiteren Aussichtspunkt.
Unsere Freude über den Anblick war groß. Fuji-san zeigte sich nun noch offenherziger als vorher.
Dies war übrigens unsere heutige kleine, aber feine Gruppe.
Koji ermöglichte uns anschließend, noch einmal ein paar Fotos aus dem Garten des Teeladens zu schießen.
Selbstverständlich waren wir sehr froh, ein solches Glück zu haben.
Bevor wir den Garten verließen, fragte uns Koji, ob wir Interesse daran hätten, ein wenig von dem Tee zu probieren. Das taten wir gerne. Die Besitzer bereiteten uns einen grünen Tee zu und reichten uns dazu noch intensivgrüne Matcha-Bonbons.
Einer von Birgits Chefs ist Japaner und kommt aus dieser Gegend. Für ihn kauften wir eine Packung des Tees als Mitbringsel aus seiner Heimat, die uns sehr gefiel. Über beides freute er sich übrigens sehr.
Anschließend fuhr uns Koji zu einer weiteren Sehenswürdigkeit Shimizus, dem Miho Beach und Miho Pine Cove. Auf dem Weg dorthin deutete er auf Skulpturen an manchen Gebäuden oder Dächern. Es handelte sich um eine in ein „Hagoromo“ (Federkleid) gekleidete Tennyo – ein Himmelsmädchen aus einer Legende. Tennyos sind laut Sagen die Hofdamen der Kaiser im Himmel.
Zufällig fand an diesem Tag am Miho Beach das jährlich stattfindende Hagoromo Nō Festival statt. Nō ist eine Form des traditionellen japanischen Theaters, das nur von Männern gespielt (getanzt) und musikalisch begleitet wird. Birgit machte eine Ausnahme.
Am Eingang zum Strand steht der Hagoromo-nō-Matsu-Baum. Bei diesem Baum erzählte uns Koji nun, was es mit der Hagoromo-Legende auf sich hatte.
Laut der Legende fand der Fischer Hakuryo (Weißer Drache) einen an diesem Baum hängenden Kimono. Er hatte noch niemals zuvor einen so schönen Kimono gesehen und nahm ihn an sich, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Da hörte er eine Stimme die sagte: „Dieser Kimono gehört mir, bitte nimm ihn mir nicht weg!“ Die Stimme gehörte einer wunderschönen Frau im Schatten des Baumes.
Sie sagte: „Ich bin eine Tennyo. Dieser Kimono ist ein Hagoromo, ein Federkleid.“ Der Fischer begehrte den Kimono daraufhin zunächst noch mehr und wollte ihn nicht wieder zurückgeben. Daraufhin weinte die Tennyo bitterlich und erklärte, dass sie ohne ihr Federkleid nicht wieder in den Himmel zurückkehren könne.
Hakuryo hatte ein gutes Herz und sagte, dass er den Hagoromo zurückgeben würde, wenn das Mädchen ihm den Tanz der Tennyo zeige.
Die Tennyo war überglücklich, sagte jedoch, dass sie zum Tanz ihren Hagoromo benötigen würde.
Der Fischer traute ihr nicht und sagte: „Du könntest in den Himmel zurückkehren, ohne mir den Tanz zu zeigen.“
Energisch erwiderte die Tennyo darauf: „Täuschung und Verrat gehören in die Welt der Menschen. Sie existieren nicht im Himmel.“
Hakuryo war daraufhin sehr beschämt und gab ihr das Federkleid zurück. Die Tennyo schlang das Kleid um sich und tanzte zu einer plötzlich aus dem Nichts ertönenden Musik höher und höher, bis sie schließlich den Himmel erreichte.
Diese Legende ist heute ein berühmtes Stück des Nō-Theaters.
In der Nähe des Baumes befindet sich das Denkmal vom Madame Hélène Giuglaris (1916-1951). Madame Giuglaris war eine französische Balerina, die von dem Hagoromo-Nō-Tanz begeistert war. Sie brachte sich den Tanz selbst bei und führte ihn in Frankreich auf Bühnen auf. Ihr Herzenswunsch war es, einmal an den Ort der Legende zu reisen, was ihr aber aufgrund ihres frühen Todes nicht vergönnt war.
Ihr letzter Wunsch war, ihre Haare in der Nähe des Hagoromo-Baumes zu vergraben. Ihr Mann reiste nach Japan und kam diesem Wunsch nach. Bewohner von Shimizu waren von der Geschichte so gerührt, dass sie ihr an der Stelle ein Denkmal errichteten.
Vom schwarzen Kieselstrand aus konnten wir noch ein schönes Foto vom Fuji machen, bevor wir wieder zum Wagen zurückgingen.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz kamen uns Teilnehmer des Festivals mit Fackeln entgegen.
Koji fuhr uns anschließend zum Hafen zurück, wo wir ihm herzlich für seinen großartigen Service dankten. Wir können ihn als Führer sehr empfehlen. Auf freundliche und angenehme Art hat er uns an diesem Tage einiges von seinem umfangreichen Wissen vermittelt.
Beim Auslaufen wurden wir von vielen Schaulustigen verabschiedet, für die ein auslaufendes Kreuzfahrtschiff wie ein Volksfest zu sein schien.
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