Teil 7 - Ashdod / Jerusalem
Tag 9 – Ashdod (Jerusalem)
Nun waren sie also gekommen. Die Tage auf die wir uns so gefreut hatten und um die wir, aufgrund der Unruhen, so gebangt hatten. DER eigentliche Grund, diese Reise auszuwählen… nun ging es los: zwei Tage Jerusalem.
Ausflüge wurden im Vorfeld massenhaft angeboten. Jerusalem, Tel Aviv, Bethlehem, Totes Meer, alle möglichen Pilgerstätten – teilweise sogar alles an einem Tag. Das wollten wir uns nicht antun. Wir hatten das Ziel, Jerusalem zu sehen und zu erleben und, wenn es passt, noch ans Tote Meer sowie die Festung Masada zu fahren. Deshalb hatten wir in Ashdod einen Mietwagen gebucht und in Jerusalem ein Hotel direkt an der Altstadtmauer, wo wir auch über Nacht bleiben wollten.
Da das Schiff bis am nächsten Tag um 22.00 Uhr in Ashdod war und danach das nur 2 Stunden entfernte Haifa anfuhr, war das Ganze weitgehend risikolos.
So ganz reibungslos sollte es jedoch nicht beginnen… Am Ausgang des Schiffes stauten sich die Menschen an. Das Zentrum, die Gänge und Treppen dorthin, einfach alles drumherum war gefüllt von Menschen. Da man durch die Engstelle zwischen den Fahrstühlen geleitet wurde, hatte das Ganze etwas von einem Viehtrieb.
Die Meisten nahmen es mit Humor. Einige Amerikaner (tatsächlich Texaner) imitierten das Muhen von Rindern und sorgten für Gelächter. Tatsächlich wurde das Ganze erst lästig, nachdem mehr als eine Stunde verging. Über die Lautsprecher kamen mehrfach entschuldigende Worte. Offenbar hatten sich die israelischen Behörden dazu entschlossen, das Schiff einem „Full Screening“ zu unterziehen. Damit nicht genug. Als die Freigabe endlich erteilt wurde, musste JEDER Gast beim Ausgang noch seine Gegenstände durchleuchten lassen und den Scanner durchlaufen. Das war aber immer noch nicht genug. Am Ausgang wurde noch einmal vor und nach der Gangway jeder Pass kontrolliert und die Hälfte aller Gäste mussten an Tischen ihre Taschen öffnen. 4000 Menschen wollten von Bord, Gruppen wurden durch unterschiedlichen Screenings getrennt und mussten, endlich einmal freigelassen, ihre Angehörigen auf der Pier zwischen Menschen und zig Bussen wieder suchen.
Auch wir mussten uns erst wieder finden, denn Birgit musste ihre Tasche nochmal vorzeigen und ich wurde vehement daran gehindert mit ihr zu gehen. Es war einfach nur chaotisch.
Mir taten die Schiffsmitarbeiter und Celebrity richtig leid. Sie versuchten ihr Bestes, unterstützten wo sie konnten, wurden von Gästen, die Angst um ihre Touren hatten, und von israelischen Grenzern angeraunzt und konnten echt nichts dafür.
Irgendwann gelang es auch uns, gemeinsam zu einem Taxistand zu gehen und ein Taxi zu nehmen.
Die Adresse von Albar-Car (Thrifty/Dollar), einem der größten Vermieter in Israel, stand auf meinem Voucher. Dorthin ließen wir uns fahren. Der freundliche Fahrer bot uns noch an, bis nach Jerusalem zu fahren und dort mit uns eine private Tour durch Jerusalem zu machen – für ca. 230 $. Kein schlechter Preis im Vergleich zu den angebotenen Gruppentouren. Aber wir hatten ja andere Pläne. Er war uns nicht böse und wir plauderten über die Lage in Israel und wie die Menschen hier mit der Lage umgehen. Erstaunlich, welche Gleichgültigkeit man gegenüber Kriegszuständen erreichen kann. Für uns in unseren behüteten Verhältnissen unvorstellbar.
Als wir die Adresse erreichten bezahlten wir und gingen zu einem Gebäude, dass auch so aussah wie die Adresse, die ich mir vorher in Street View angesehen hatte. Ein ziemlich heruntergekommenes Ladengebäude in einem sehr orthodoxen Viertel.
Leider fanden wir in den Gängen nur einen kleinen, fensterlosen Lebensmittelladen und geschlossene, leere Räume. Wir fragten einige Passanten, die jedoch weder englisch konnten, noch den in westlichen Buchstaben geschriebenen Voucher mit dem Firmennamen lesen konnten.
Nach einer Weile kam ein Jugendlicher und machte einen auf cool. Wir fragten ihn dennoch. Zu unserem Erstaunen zückte er sein Handy, rief bei der Mietwagenfirma an und erklärte uns, dass diese vor Kurzem in die Hauptniederlassung in der Stadtmitte gezogen sei. Dann rief er uns noch ein Taxi und sagte Tschüß. Wir lachten innerlich, denn er wollte sich wohl nicht als freundlich outen.
Mit dem Taxi fuhren wir zur Hauptniederlassung. Ein riesiges Gelände mit unzähligen Autos, wehenden Flaggen und einem großen Gebäude - und dachten, nun geht es endlich los…
Pustekuchen. Bitte entschuldigt meine folgende, ausführliche Schilderung. Das Erlebte hätte jedoch auch Drehbuch eines Slapstick-Films sein können.
Wir gingen in das Gebäude, in dem an mehreren Tischen bereits Kunden von Mitarbeitern bedient wurden. Daher warteten wir auf einem Ledersofa am Rande. Die Kunden schauten immer wieder auf die Bildschirme der Mitarbeiter, es wurde gesprochen und verhandelt (auf hebräisch) und ich hörte ab und an etwas von Millionen Schekel. Irgendwann kam mir bei diesen Summen der Gedanke, dass die hier Autos verkaufen.
Ich schaute mich in den Seitengängen etwas um und fand ein Büro mit einer großen Theke. Hinter der Theke saßen drei junge, stark aufgebretzelte Mädels. Eine telefonierte offensichtlich privat mit einem pinkfarbenen Iphone. Die andere schaute sich ihre gestylten und dekorierten Nägel an und die Dritte tippte SMS. Der vierte Platz war leer. Ich trat ein und fragte, ob hier die Autovermietung war. Sichtlich verärgert darüber, dass ich sie in ihren wichtigen Handlungen unterbrochen hatte, schauten sie mich leer an. Eine deutete auf den vierten, leeren Platz neben ihr. Dann wurde ihr klar, dass dort wohl niemand war und sie sich darum kümmern musste. Widerwillig nahm sie daher meinen Voucher und fing an ihn zu studieren. Ich nahm schon einmal meinen Pass, meine Kreditkarte und meinen Führerschein heraus und legte alles mitten auf die Theke.
Irgendwann fragte sie nach meinem Pass. Ich deutete auf die Theke. Sie nahm den Pass in die eine Hand und nahm mit der anderen Hand die „Landing Card“ heraus. Dann blätterte sie im Pass herum und raunzte „I need your Landing Card!“. Ich deutete auf ihre linke Hand und dachte mir: „wie wär´s mit der“. Brummeln von ihr. Irgendwann kam sie an mein indisches Visum im Pass. Wieder grantig: „You are from India?!“ Nein, das ist ein deutscher Pass mit einem indischen Visum. „I need Drivers License“ war ihr nächster, wenig freundlich geäußerter Wunsch. Ich deutete auf die Theke. Sie studierte die Führerscheinkarte mit leerem Blick. Ich könnte schwören, Zahnräder rasseln gehört und Rauchwolken über ihrem hübschen Kopf gesehen zu haben. Hilflos störte sie daraufhin die andere Grazie beim Telefonieren und auch die Dritte schaute von ihren Nägeln auf. Die drei Damen diskutieren über die Führerscheinkarte, die sie drehen und wenden und völlig ratlos sind. Irgendwann ein Schrei in den Gang: „Haim…. Haaaaaiiiimmmm“. Haim, ein junger Mann, kommt herein. Nach ein paar säuselnden Worten und Augenklimpern erklärte Haim den Mädels den Führerschein. Dann verließ Haim den Raum und das süße Lächeln verschwand schlagartig von den Gesichtern der Damen, die wieder zu einer Medusa wurden.
„Do you have telephone in Israel?“. “Ja, meine Handy-Nummer” ich deutete auf mein Handy.
„This is in Israel?“ Ja, gute Frau, es sei denn, wir sind hier nicht in Israel, dachte ich mir und blieb weiter freundlich. Nun wollte sie, dass ich meine Nummer auf einen Zettel schreibe. OK, ich schrieb +49 173 … und reichte ihr den Zettel. Empört zeigte sie den Zettel der anderen und sagte, was bitte +49 sein soll. „This is not phone number in Israel!“ Nein, es ist aber meine Telefonnummer und ich bin nun mal in Israel… Nun wollte sie, dass ich sie anrufe. Da ich die Nummer nicht kannte reichte ich ihr das Telefon und sie wählte. Die drei Damen schauten gebannt auf das Display ihres nun klingelnden Telefons und sind völlig erstaunt, dass darauf +49 173 … erscheint. Fassungslos verglichen sie den Zettel mit der Nummer und beschlossen dann wieder ratlos, im Rechner einfach nur 0000000 einzugeben…
Nun wurden wir richtig produktiv und füllten einen Mietvertrag aus. Sie wollte mir irgendetwas in Englisch erklären, merkte aber, dass ihr die Vokabeln fehlen. Daher hörte sie mitten drin auf… auch gut. Ich fragte sie, bis wann sie morgen geöffnet haben und sie erwidert: „6 o´clock“. OK, ich deutete auf den Voucher und darauf, dass dort 17.30 Uhr steht. „No, no, 6 o´clock“. Schön, wir haben also 30 Minuten mehr Zeit.
Vor der Tür erwartete uns ein blauer Mazda 3 und eine der drei Starlets markierte die Schäden auf einem Übergabeprotokoll. Als sie fertig war, sah das Teil aus wie Malen nach Zahlen, denn der Wagen hat quasi überall Schrammen und Dellen. Egal, ich fahre in die Altstadt Jerusalems, da kommt mir das gerade Recht.
Endlich saßen wir also im Auto. Ich installierte mein Iphone, auf das ich mir vorher für 20 Euro eine Navi-App von Israel geladen hatte. Da wir hier nun ja an einer anderen Location waren, wollte ich für den Rückweg noch die Adresse der Station als Favorit eingeben. Nur leider kannte das Navi die Straße nicht. OK, ich wählte daher den Menupunkt „Aktuellen Standort als Favorit speichern“ und dann ging es endlich los.
Über die Autobahn und durch einige Staus erreichten wir ca. 1 ¾ Stunde später Jerusalem. Die Navi-App nervte gewaltig, denn immer wenn ein wichtiger Wegpunkt kam, stürzte sie ab. Bis man sie neu gestartet und wieder eingestellt hatte, war der Wegpunkt natürlich vorbei. Egal, Jerusalem haben wir gefunden. In der Stadt wurde uns langsam klar was es bedeutete, dass wir zur Zeit des Sukkot-Festes hier waren. Alle Straßen waren dicht. Zwei Abzweigungen vor unserem Hotel war die große Hauptstraße auch noch gesperrt und die Polizei leitete den Verkehr um. Da unsere Navi-App keine Alternativroute zuließ und immer wieder auf die gesperrte Straße wollte – oder einfach ständig abstürzte, war sie völlig nutzlos. Irgendwann fuhr ich nur noch nach Himmelsrichtung und Gefühl durch Schleichwege und enge Gassen und wir trafen auf die Stadtmauer. Von hier aus wusste ich, wie man zum Hotel kommt. An einem Kreisverkehr vor dem Herodestor rechts und man kommt direkt an das „Holy Land Hotel Jerusalem“.
Mittlerweile war es schon nach 13.00 Uhr. Wir stellten unser Auto in den Hof des Hotels und fragten drinnen, ob wir unser Gepäck abgeben konnten bis wir später eincheckten. Die Dame bat uns fünf Minuten zu warten und dann gab sie uns schon Schlüssel zu einem Zimmer, das gerade gereinigt war. Prima, so konnten wir unsere Sachen abstellen, einmal die Toilette besuchen und beruhigt loslaufen.
Vom Balkon aus erwartete uns dieser Blick auf die Stadtmauer, den Tempelberg und die goldene Kuppel des Felsendoms:
Klasse, genial! Die Location war unschlagbar.
Schon etwas ungeduldig gingen wir jetzt endlich über zu unserer Entdeckertour in die Altstadt. Das Herodestor, welches direkt in das muslimische Viertel führt, war nicht einmal zwei Minuten entfernt.
Ich lade Euch nun ein, mit uns durch dieses Tor zu gehen und in eine Altstadt einzutreten, die wie eine andere Welt wirkte. Ich hoffe, dass ich dieses Gefühl auch nur ansatzweise herüberbringen kann. Die engen Gassen und Mauern, welche Zeugen jahrtausendlanger Auseinandersetzungen und unterschiedlichster Epochen verschiedener Herrscher waren, sie erzählten uns Geschichten… und wir hörten gerne zu!
Jerusalems Altstadt ist heute in noch 4 bestehende Viertel eingeteilt. Das muslimische, das jüdische, das armenische und das christliche Viertel. Darüber thront der Tempelberg auf dem der Felsendom mit seiner weithin sichtbaren goldenen Kuppel und die Al-Aqsa-Moschee stehen. Es gibt keine Grenzen zwischen den Stadtteilen, aber wenn man um eine Ecke in ein anderes Viertel kommt, verändert sich alles schlagartig. Sprache, Menschen, Kleidung, Eindrücke, Gebäude – alles ist anders. Es ist eine total faszinierende Erfahrung.
Die allgegenwärtige Präsenz der schwer bewaffneten Polizei in Kampfanzügen an fast jeder Ecke zeugte jedoch davon, dass die Ruhe trügerisch war und das Miteinander von einigen als gezwungen empfunden wurde.
Durch das Herodestor betraten wir das muslimische Viertel. Diese Aufnahmen könnten auch aus einem arabischen Land stammen. Und tatsächlich war alles arabisch. Die Geschäfte, die Sprache und auch die Kleidung der meisten Männer und Frauen.
Wir folgten den Gassen ein wenig bergab und kamen bald auf die Via Dolorosa – dem Kreuzweg.
Die Via Dolorosa soll den Leidensweg Jesu beschreiben, also seinen letzten Gang von der Verurteilung und Geißelung bis zu seiner Kreuzigung. Die Stationen seines Leidens sind an Gebäuden gekennzeichnet und manche auch auf Tafeln beschrieben. Ich hatte mir vorher eine kostenlose App heruntergeladen, die eine Audiotour entlang der Wegpunkte bot.
Vorweg muss ich sagen, dass ich selbst nicht gläubig bin und vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten. Meine Erklärungen zu den Punkten beruhen daher nicht auf Überzeugung, sondern auf dem, was dazu überliefert wird. Gläubig oder nicht, ich verfolgte die Stationen mit Interesse und Faszination.
Die ersten Leidensstationen waren die Verurteilung und die Geißelung. Sie sollen in der Festung Antonia stattgefunden haben, die an der Stelle gestanden haben soll, an der nun die Kirchen der Verurteilung und der Geißelung stehen.
Man gelangt durch ein kleines Tor an der Via Dolorosa in den Hof dieser Stätten.
Die nächste Station ist der Ecce-Homo-Bogen ("Ecce homo" = „Sehet, der Mensch"). An dieser Stelle soll Pilatus den gefolterten Jesus dem Volk präsentiert haben.
Ein Stück weiter auf der Via Dolorosa kommt man an Station III. An dieser Stelle soll Jesus unter dem Kreuz zusammengebrochen sein. Hier steht eine kleine Kapelle, die davon kündet. Die Kapelle geht fast nahtlos in die vierte Station über, wo Jesus auf Maria getroffen sein soll und wo eine weitere Kirche steht.
Die Krypta ist durch ein byzantinisches Bodenmosaik aus dem 4.-6. Jahrhundert geschmückt. Die Fußabdrücke im Boden sollen von Maria stammen.
Weiter der Via Dolorosa folgend kommt man bald an die Station 5. Hier soll Jesus erneut zusammengebrochen sein, so dass das Kreuz von Simon übernommen werden musste, der am Wegesrand stand.
Ein Stein in der Mauer soll eine Stelle markieren, an der sich Jesus abgestützt haben soll. Über Jahrhunderte weg berühren Pilger die Stelle und höhlen sie dadurch immer weiter aus.
Die Via Dolorosa selbst biegt hier in einen arabischen Souk ab.
Wir folgten ihr nicht, sondern gingen die Straße weiter geradeaus in Richtung Klagemauer.
Seitlich befanden sich einige Markthallen und weitere Souks.
Durch einen Tunnel und eine Sicherheitsschleuse mit Röntgengeräten gelangt man direkt auf den Western Wall Plaza – den Platz der Klagemauer – und somit in das jüdische Viertel.
An dieser Pilgerstätte der Juden war aufgrund des Sukkot-Festes (Laubhüttenfest) besonders viel los und sehr viele Juden im Festtagsgewand.
Besonders auffällig waren die chassidischen Juden mit ihrem großen Pelzhut, dem Schtreimel.
Die Klagemauer, ein großes jüdisches Heiligtum, stellt die Westwand des Tempelberges dar, auf dem der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee stehen, die wiederum große Bedeutung im Islam haben. Rechts ist die Mughrabi-Brücke sichtbar, die den einzigen Zugang für Nicht-Muslime zum Tempelberg darstellt. Bis 2004 stand hier eine Erdrampe, die bei einem Erdbeben zerstört wurde. Die Brücke sollte als Provisorium dienen. Um einen neuen, endgültigen Ersatz zu bauen, wurden 2007 die Reste des Erdwalls abgetragen und archeologische Untersuchungen durchgeführt. Das Vorgehen Israels wurde stark kritisiert und arabische Staaten drohten mit Krieg, da man u.a. unterstellte, Israel wolle mit den Arbeiten die Moschee zum Einsturz bringen. Die Unesco wurde eingeschaltet um den Status Quo zu erhalten. Seitdem gab es immer wieder Streitigkeiten um die Brücke und den Tempelberg und der Frieden ist eine zerbrechliche Angelegenheit.
Wir stiegen einigen Stufen hinauf weiter in das jüdische Viertel und stärkten uns an einem kleinen Imbissstand.
Zufällig trafen wir hier auch auf Bob und Debby vom Schiff, die sich einen Führer genommen hatten, der sie durch Jerusalem führte.
Ein großer Platz um die Hurva-Synagoge, der Hurva-Square, bildet neben dem Platz um die Klagemauer ein weiteres Zentrum des jüdischen Viertels. Aufgrund der Festlichkeiten war selbstverständlich auch hier sehr viel los.
An der Grenze zum armenischen Viertel trifft man auf das Cardo. Hierbei handelt es sich um einen teilweise freigelegten Bereich einer Hauptstraße aus der römisch-byzantinischen Zeit.
Wir folgten den engen Gassen und Sträßchen durch das armenische Viertel.
An der Stadtmauer entlang des armenischen Viertels trifft man auf die Davidszitadelle.
Ein Turm der Zitadelle grenzt an das berühmte Jaffa-Tor, das die Grenze zwischen dem armenischen und christlichen Viertel beschreibt.
An der Stadtmauer außerhalb des Jaffatores befindet sich dieses Denkmal, das Richard Löwenherz und Saladin, der 1187 Jerusalem von den Kreuzfahrern zurück eroberte, darstellt.
Der Durchgang des Tores beschreibt einen 90°-Winkel, der Angreifern den Weg in das Innere der Stadt erschweren sollte. Heute fanden wir hier keine Angreifer, sondern einen harfespielenden Engel.
Durch das christliche Viertel hindurch machten wir uns auf den Weg zur Grabeskirche.
Auch hier wurde deutlich, wie fließend der Übergang zwischen den Vierteln ist. Der Weg zur christlichen Grabeskirche führt wieder durch arabische Souks.
Einen Durchgang weiter und man steht vor der Grabeskirche.
Die Grabeskirche zählt zu den größten Heiligtümern der christlichen Kirche. Sie verdeutlicht aber gleichzeitig das Dilemma der mangelnden Einigkeit innerhalb des christlichen Glaubens. Die Kirche ist in der Hand von sechs christlichen Konfessionen. Die Hauptverwaltung der Kirche unterliegt der Griechisch-Orthodoxen, der Römisch-Katholischen (vertreten durch den Franziskaner-Orden) und der Armenisch-Apostolische Kirche. Im 19. Jahrhundert kamen die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die Kopten und die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche hinzu. Jede Gruppe hat bestimmte Aufgaben und nur gewisse Bereiche in der Grabeskirche zugewiesen bekommen. Die Zeiten der Messen, Prozessionen und Gebete sind genau eingeteilt. Es kam immer wieder zu Streitigkeiten der Gruppen, bis hin zu Handgreiflichkeiten unter den Mönchen, die mit Hilfe der Polizei beendet werden mussten. Ganz im Gegensatz zur Botschaft des Friedens und der Einigkeit wird das Miteinander hier von Konkurrenzdenken überschattet.
Wegen der anhaltenden und ständigen Streitigkeiten wird der Schlüssel der Kirche seit Jahrhunderten traditionell von einer muslimischen Familie bewahrt, die die Kirche täglich auf- und zuschließt.
Mit dem Ende des Sechstagekriegs 1967, bei dem die Altstadt Jerusalems unter israelische Verwaltung fiel, behielt Israel diese Aufteilung, auch als Status Quo bezeichnet, bei. Niemand will daran rütteln, was jedoch auch dringend notwendige Baumaßnahmen an einsturzgefährdeten Gebäudeteilen der Kirche verhindert. Keine der Gruppierungen fühlt sich zuständig. Kuriosestes Beispiel dafür ist eine Leiter, die im 19. Jahrhundert von den Mönchen benutzt wurde, um in das abgeschlossene Gebäude zu gelangen. Seitdem ist sie überflüssig, nur traut sich niemand sie zu entfernen, um den Status Quo nicht zu gefährden. Die Leiter steht daher seit Jahrzehnten unter einem Fenster über dem Haupteingang.
So wie sich der Eintritt in die Altstadt durch das Herodestor wie ein Eintritt in eine andere Welt angefühlt hatte, so fühlte es sich beim Betreten der Grabeskirche an. Die Kirche ähnelt im Inneren keiner Kirche die ich je gesehen habe. Kaum etwas ähnelt dem vertrauten Aufbau einer normalen Kirche. Vielmehr trifft man auf viele ineinander verschachtelte Gewölbe und Gänge, sowie verschiedene Ebenen.
Die Kirche soll auf bzw. über den Hügel Golgota erbaut worden sein. Die verschiedenen heiligen Stätten des Hügels liegen daher auf den unterschiedlichen Ebenen innerhalb der Kirche.
Gleich rechts hinter dem Haupteingang gelangt man so über eine enge Treppe auf den Kalvarienberg, dem Ort der Kreuzigung. Hier steht ein römisch-katholischer Altar an der Stelle, an der Jesus an das Kreuz genagelt worden sein soll. Ein prachtvolles Mosaik an der Rückwand stellt die Szene dar.
Direkt daneben ist an der Stelle, an das Kreuz gestanden haben soll, der griechisch-orthodoxe Kreuzigungsaltar errichtet. Da dreidimensionale Skulpturen in der orthodoxen Kirche nicht üblich sind, sind die Abbildungen von Jesus hier nur zweidimensional.
Diese Stellen zählen übrigens zu den Stationen des Kreuzweges.
Überall aus der Kirche hallten Gesänge und Gebete der Mönche in unterschiedlichen Sprachen durch die Gewölbe und erzeugten dadurch eine mystische Stimmung.
Unter dem Kreuzigungsaltar befindet sich ein Fels mit einem Spalt in dem das Kreuz gestanden haben soll. Viele Pilger kriechen unter den Altar, um diesen Stein zu berühren.
In Höhe des Haupteingangs befindet sich der „Salbungsstein“. Auf diesem Stein soll Jesus, nachdem er vom Kreuz genommen wurde, gesalbt und in Tücher gehüllt worden sein. Auch davon kündet ein prächtiges Mosaik an der Wand hinter dem Stein.
Der Gang führt unter die große Kuppel der Kirche, die das Heilige Grab überspannt. Das Grab ist von einer 300 Jahre alten Struktur aus Holz und Stein überbaut (Ädikula). Der Überlieferung nach soll sich hier die Höhle befunden haben, in der Jesus beigesetzt wurde.
Als wir in der Rotunde umherliefen, feierten die Franziskaner-Mönche eine Messe. Die Klänge der Orgel hallten durch die Gewölbe und füllten die Kirche mit ihren Tönen.
Die sakrale Stimmung in der Kirche und die durchdringenden Klänge gingen mir richtig unter die Haut und berührten mich zutiefst. Wie eingangs einmal erwähnt, bin ich nicht gläubig. Dem Bann dieses geschichtsträchtigen Ortes konnte ich mich jedoch nicht entziehen. Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob sich die überlieferten Geschehnisse tatsächlich zugetragen haben oder nicht. Ebenso darüber, ob die hier verehrten Orte tatsächlich die damaligen Schauplätze waren. Und doch besteht für einen großen Teil der Weltbevölkerung daran kaum ein Zweifel.
An einem Ort zu stehen, der elementar für eine Geschichte ist, die seit über 2000 Jahren maßgeblich die Geschicke der gesamten Menschheit beeinflusst, rief auch in mir viel Ehrfurcht hervor und ich empfand es als sehr bewegend.
Nach dem Gebet der Mönche vor dem Grab wurde die Messe in der nebenan gelegenen Kapelle der Maria Magdalena fortgesetzt.
Das Grab selbst kann man ebenfalls besuchen. In Gruppen zu je drei Leuten darf man in die „Kapelle des Engels“ in der Ädikula eintreten in der man wiederum durch eine niedrige Öffnung in die eigentliche Grabkammer gelangt. Nach ein paar Sekunden Andacht klopft ein Priester leise gegen den Stein und man muss die Kammer wieder verlassen.
Wir haben die Grabkammer ebenfalls besichtigt. Diesen heiligsten Ort des Christentums, der für gläubige Christen wohl den Höhepunkt ihrer Wallfahrt darstellt. Eine Dame, die die Kammer mit uns betrat, sackte im Inneren des Grabes weinend auf der Deckelplatte zusammen.
Als wir wieder herauskamen, wurde der Bereich vor der Kammer wieder geräumt, da nun die armenischen Mönche mit ihrer Prozession an der Reihe waren.
Der mittlere Bereich der Kirche wird als Katholikon bezeichnet. Ein Licht im Boden soll den Nabel der Welt signalisieren. Der Bereich war leider nicht zugänglich.
Wir verließen die Rotunde durch einen seitlichen Gewölbegang, der an drei kleineren Kapellen vorüber führt.
Kapelle der Gewandteilung (Griechisch-Orthodox):
Kapelle des hl. Longinus (Armenisch). Longinus war ein römischer Centurion, der der Kreuzigung beiwohnte und später zum Christen wurde.
Von diesem Gang gehen 29 Stufen hinunter in die St. Helena-Kapelle. An den Wänden rechts und links der Treppe sieht man eingeritzte Kreuze, die von Pilgern aus dem Mittelalter stammen.
Neben dem Schrein steigt man über eine weitere Treppe hinab an den tiefsten Punkt der Grabeskirche, der Kreuzauffindungskapelle.
Ursprünglich spielte die Grabeskirche in meinen Erwartungen zu Jerusalem keine große Rolle, nun verließen wir diesen geschichtsträchtigen Ort jedoch tief beeindruckt und bewegt. Auch wenn ich heute zurück denke an diese Reise, begeistert mich der Besuch in der Kirche immer noch.
Als wir die Grabeskirche wieder verließen stellten wir fest, dass es mittlerweile dunkel geworden war.
Unweit der Kirche kommt man am Eingang zum Muristan Market (Suq Aftimos) vorüber, der sich gegenüber der Erlöserkirche befindet.
Die Gassen, durch die sich die Touristen am Tage dicht an dicht gezwängt hatten, waren nun wie leergefegt und in gespenstisches Licht getaucht.
Lediglich an der Klagemauer wurde weiterhin das Laubhüttenfest gefeiert. Nun war der Platz aber fast ausschließlich von gläubigen Juden bevölkert. Die Horden von Touristen hatten die Stadt mittlerweile schon verlassen.
Auf dem Platz feierten die Juden in ihren Festtagsgewändern immer noch fröhlich und ausgelassen. Es wurde gesungen und getanzt. Wir fühlten uns privilegiert, dies so erleben zu dürfen, denn es war ein weiteres Gesicht Jerusalems, das wir zu sehen bekamen.
Wir rissen uns von dem faszinierenden Schauspiel los und liefen zurück durch die Gassen des muslimischen Viertels, um die Altstadt durch das Herodestor wieder zu verlassen. Es kam uns vor, als ob es sich um ganz andere Straßen handelte als die, auf denen wir am Tage gelaufen waren.
Auf der Via Dolorosa beschlossen wir, in einem Restaurant an der Straße noch etwas zu essen.
Dann merkten wir langsam aber sicher, dass der Tag lang und erlebnisreich war und setzten unseren Weg durch die leeren Gassen fort zum Hotel.
Der Blick von unserem Hotelzimmer war auch jetzt bei Dunkelheit sehr schön.
Der schöne Blick vom Balkon konnte jedoch nicht mit dem verlockenden Anblick unserer Betten konkurieren, der uns bald ins Reich der Träume lockte.
Spätestens nach diesem ersten Tag in Jerusalem wussten wir, dass unsere Entscheidung zu dieser Reise goldrichtig war. Die Eindrücke des Erlebten werden uns sicherlich noch sehr lange in Erinnerung bleiben.
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